Die Uhr erreichte mich in einem bemitleidenswerten Zustand. Nichts funktionierte mehr. Weder die Zeiger ließen sich bewegen, noch rührte sich die Unruh.
Das Junghans J90 hat eine Größe von 11,5''' und ist mit dem kleineren Junghans J91 (8 3/4''') das einzige Werk mit einer Zylinderhemmung. Es existiert in zwei Versionen, mit 1 Jewel und mit sechs. Die vorliegende Uhr hat nur einen Stein.
Zeiger und Zifferblatt konnten problemlos entfernt werden und beim ersten Blick unter das Zifferblatt wurde ein reichlich verdrecktes und von Rost angegriffenes Werk sichtbar.
Die Räder des normalerweise zuverlässig funktionierenden Wippenaufzugs waren komplett miteinander verbacken. Der Winkelhebel und dessen Schraube waren ein einziger Rostklumpen.
Auch das zifferblattseitige Lager der Unruhwelle zeigte auf dessen Rückseite deutlichen Rost.
Der Winkelhebel und die Wippe wurden zunächst eingehend in Rostlöser gebadet. Bei der folgenden Demontage zeigten sich immer mehr Schäden. Die Zylinderachse der Unruh war ebenfalls vom Rost stark zerfressen und nicht mehr nutzbar.
Das Hemmungsrad schien zunächst in Ordnung.
Unter der Wippe waren die drei Räder deutlich verschmutzt und der eigentliche Zustand ließ sich erst nach einer Reinigung beurteilen.
Der Winkelhebel war mit seiner Schraube zu einer unzertrennlichen Einheit Rost geworden. Die Schraube zerbröselte und der Winkelhebel zerbrach beim Versuch, diesen mit der Kornzange zu fixieren.
Die Suche im Fundus nach einem passenden Winkelhebel und seiner Schraube erwies sich als hoffnungslos.
Das zunächst im verbauten Zustand noch intakt erscheinende Hemmungsrad war leider auch ein Opfer des Rostes geworden. Ein Zahn zerbröselte nur durch das Auflegen auf die Unterlage.
Die Demontage des Räderwerkes war Routine und hier tauchten keine größeren Schäden auf. Um den Rost ein wenig zu binden, sprühte ich das gesamte Werk mit WD 40 ein.
An den Stellen, an denen die Vergoldung abblätterte, zeigten auch die Werksplatinen Schäden.
Während sich die vorgereinigten Teile in der Reinigungsmaschine drehen, wurde das Zifferblatt vorsichtig vom oberflächlichem Schmutz befreit. Auch die Zeiger bekamen ein wenig Zuwendung.
Frisch aus der Reinigungsmaschine wurden die Ersatzteilkästchen durchforstet. Es wurde ein neues Plexiglas benötigt, ein Winkelhebel mit Schraube, ein neues Hemmungsrad und eine Unruhwelle...
In dem alten Furniturendöschen waren einige Teile zu finden, ein Hemmungsrad, eine komplette Unruh mit Spirale, aber leider kein Winkelhebel.
Nach einigen Tagen konnte mit der Remontage begonnen werden. Glücklicherweise konnte ein guter Freund und Junghans-Sammler noch einen Winkelhebel nebst Schraube auftreiben (nochmals Danke Jens!!!).
Die neue (auch schon alte und gebrauchte) Unruh mit Spirale wurde getauscht.
Bei der Reinigung der neuen Unruh löste sich die Vergoldung des Unruhreifs leider fast komplett.
Die Zifferblattseite konnte weitestgehend ohne Ersatzteile wieder zusammengesetzt werden. Die drei Räder der Wippe zeigten zwar leichten Rostfraß, doch war die Funktion bei den ersten Tests nicht beeinträchtigt. Die Teile wurden nochmals verwendet.
Nur ein neuer Sekundenzeiger fehlte noch, schließlich fand sich aber doch noch ein passender.
Die Uhr hat doch einiges an Ersatzteilen verschlungen und der Gang ist noch unregelmäßig, über den Tag läuft sie aber immerhin "nur" ca. vier Minuten im Minus.
Zum Probetragen kommt ein einfaches Durchzugband zum Einsatz, das auf Dauer aber den Boden der Uhr schädigen würde und seine Spuren hinterlassen würde.
Schlussendlich hat die Revision dieser Uhr viel Spaß gemacht und ich konnte wieder einige Erfahrungen machen und neues lernen.